Das Geld das in den wirtschaftlich stabilen Jahren in unsere Taschen geflossen ist, ist schnell geflossen und wir haben vielleicht nicht ganz so schnell begriffen, wie wir mit diesem Luxus umgehen sollen. Wir sind die Konsumgesellschaft, wir kaufen viel und wir kaufen gerne.
Alles wird immer verfügbarer, Alles wird immer schneller und Alles wird immer unübersichtlicher. Wenn man einkaufen geht, dreht man sich im Karussell der Werbeindustrie um die eigene Achse. Längst schreien die Kritiker über unlautere Werbung, Mogelpackung, Lebensmittelskandale und unzuverlässige Siegel. Doch ist es wirklich fatale Irreführung, wenn in Deutschland verpackter Kaffee mit dem Label Unser Norden verkauft wird? Oder muss man sich hier nicht eher nach der Intelligenz des Käufers fragen? Seit wann wächst Kaffee in Deutschland?
Die globalisierte Beschleunigung verunsichert uns. Die Sehnsucht nach beständigen Werten, nach Gewissheit wird immer größer. Wieder erwachte Heimatgefühle und im neuen Glanze stehenden Lokalkolorits sind schicker Alltag geworden. Designer bauen zusammensteckbare Bauernstühle und Künstler werden, über die Grenzen des Schwarzwalds hinaus, bekannt mit bunten Kuckucksuhren. Das ganze Jahr über nähen Frauen und Kinder in Sri Lanka Dirndl und Lederhosen, weil auf der Münchner Wiesn – dem Oktoberfest – alljährlich hundertausende Nicht-Bayern, Japaner, Italiener, Australier und Chinesen standesgemäß in Tracht auf der Bierbank tanzen.
Während einschlägige Tageszeitungen immer weniger Absatz finden, boomt der Markt der Heimatzeitung. Landidee, Landlust, mein schönes Land und MUH, manche haben die Auflagenzahlen von Gala und Focus längst überschritten. Im Fernsehen gibt es Servus TV, Bauer sucht Frau und mit Sat1 fährt man 45 Minuten …ins Grüne. Heimat als Lifestyle gewinnt an Bedeutung – wir sehnen uns nach einem kleinen Stück Idylle im von Stress geplagten Großstadtleben. Auf dem Kaffeetisch stehen heute wieder im Wald gefundene Dekostücke, deren Rinde noch feucht ist und alle Kekse sind selbst gebacken.
Das neue Heimatgefühl zeichnet sich natürlich auch im kulinarischen Trend ab. Regionale Herkunft wird jetzt großgeschrieben. Doch wie viel Heimat kauft man wirklich? Das Kaffee nicht aus Norddeutschland kommt ist naheliegend, doch wer würde in der Hohes C Flasche hinter dem Etikett Heimische Früchte das Obst aus Mittelamerika erwarten? Schwartau bezieht den Sanddorn und die Erdbeeren für die Hofladen Marmelade mit heimischen Früchten aus dem Baltikum und Südosteuropa. Aachener Pflümli holt sich seine Pflaumen aus Serbien und Ungarn – weit weg von Aachen – und Schwarzwälder Schinken, in Italien gefertigt, erhält nur durch Verpackung und Etikettierung im Schwarzwald eine neue Heimat. Heimat ist dehnbar, gehören wir nicht alle zusammen?
Der Anteil heimischer Rohstoffe in den regionalen Produkten schwankt zwischen 10 und 100%, das dürfen die Vermarkter selber entscheiden. Für regionale Lebensmittel gibt es keine genaue Vorschrift, es reicht wenn die Erzeugung oder Verarbeitung in der Region erfolgten. Solange ein Teil der Produktion in Deutschland ist, kann man den Spargel aus Rumänien getrost als Deutschen Spargel verkaufen.
Alte Gemüsesorten und Nutztierrassen stehen wieder im allgemeinen Interesse. Selbstversorger und urbane Hippies ziehen sich Tomaten auf den Fensterbänken. Schrebergärten haben Hochkonjunktur und wer ein Freizeitgrundstück sein eigen nennt ist König. Bürgergärten und urban gardening hat nicht nur in New York und Berlin sein Massenpublikum gefunden. Auf Hausdächern findet man Bienenstöcke und Fischzuchtbecken. Der Drang moderner Konsumenten zum neuen Ökobewusstsein, gibt den Ton an und während er im Gerangel des großen Profitmarkts nur das Orchester leiser Hintergrundmusik leitet, ist er im Kleinen durchaus wahrzunehmen. In den Städten gibt es immer mehr Bauernmärkte und Biokisten und mancher Verbraucher geht sie auch selber suchen, die echten Bauern aufm Lande.
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