Naturkosmetika sind in den letzten Jahren zu einem enormen Markt mit einem Volumen von über 1 Mrd. Euro Umsatz herangewachsen – und das allein in Deutschland. Grund genug, sich dieser Thematik ein wenig detaillierter zu widmen, denn bezüglich Definition von Naturkosmetik und den vielen unterschiedlichen Gütesiegeln und Qualitätsrichtlinien herrschen weitläufig noch Unklarheiten.
Nach Umfragen bezüglich der Nutzung von Naturkosmetik antworten 60% der Befragten, dass Sie natürliche Kosmetikprodukte verwenden. In Wirklichkeit – und nach den Definitionen der Verbände – sind es jedoch nur ca. 5% der Konsumenten. Das liegt einmal daran, dass es „schick ist“ zu sagen, dass man natürliche Produkte verwendet. Aber auch daran, dass der Konsument nur sehr schwer selbst erkennen kann, ob die verwendeten Produkte wirklich aus natürlichen Bestandteilen bestehen oder nicht nur Marketinginstrumente verwendet wurden, um den Schein von „Natürlichkeit“ zu erwecken.
So banal es sich anhört, viele Firmen arbeiten immer noch mit eigen kreierten Siegeln, mit fälschlicher Weise nachhaltig anmutenden Websites oder einfach nur mit grünlich gehaltenem Verpackungsmaterial. Wie auch beim Einkauf von nachhaltigen Lebensmitteln oder Kleidung ist auch bei Naturkosmetik der Verbraucher gefragt, um bewusste Kaufentscheidungen zu treffen, denn längst ist der Konsument Mitproduzent.
BDIH
BDIH – das steht für Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel. Der Verband wurde bereits 1951 gegründet und mittlerweile sind mehr als 500 Unternehmen im BDIH organisiert. Das Siegel wurde 2001 eingeführt und kann bei vielen Produkten der Discounter-Ketten gefunden werden. Eine komplette Liste der BDIH-zertifizierten Hersteller gibt es auf der Website des Verbandes.
Das BDIH Siegel wird nur an Produkte vergeben, welche die BDIH-Richtlinien erfüllen. Zu den wichtigsten Punkten gehören:
Die vollständige und ausführliche Richtlinie sowie weitere Informationen etc. gibt es auf der Website des BDIH.
EcoControl
Das EcoControl-Siegel gibt es seit 2001. Die EcoControl GmbH fungiert sowohl als Zertifizierungs- wie auch als Prüfstelle in einem. Zu beachten ist, dass EcoControl Unternehmen nach deren eigenen Richtlinien zertifiziert und somit durch das Siegel bestätigt, dass das Unternehmen sich an die eigenen Richtlinien hält.
Ebenso zertifiziert EcoControl als Prüfstelle auch andere Siegel wie bspw. Natrue.
Weitere Informationen gibt es auf der Website von EcoControl.
EcoCert
Ecocert ist eine unabhängige privatwirtschaftliche Prüf- und Zertifizierungsstelle, die auch im Bereich Naturkosmetika mehrere Zertifizierungsmöglichkeiten bietet. Über 1.000 Unternehmen haben sich bereits nach EcoCert zertifizieren lassen. Die wichtigsten Grundsätze des Siegels sind:
Das EcoCert-Siegel gibt es in zwei Ausführungen:
Label Biokosmetik:
Mindestens 95% der pflanzlichen Inhaltsstoffe in der Rezeptur und mindestens 10% der gesamten Inhaltsstoffe müssen aus ökologischem Anbau stammen.
Label Naturkosmetik:
Mindestens 50% der pflanzlichen Inhaltsstoffe in der Rezeptur und mindestens 5% der gesamten Inhaltsstoffe müssen aus ökologischem Anbau stammen.
Weitere Information gibt es auf der Website von EcoCert.
Natrue
Natrue ist ein europaweites Siegel, das Firmen wie Lavera, Dr. Hauschka oder auch Kneipp verwenden. Produkte mit dem Natrue-Siegel sind im Fachhandel und in gut sortierten (Bio-)Supermärkten zu finden. Natrue wird durch externe Kontrolleure zertifiziert und ist in drei Abstufungen im Handel zu erkennen.
Natural Cosmetics (Naturkosmetik):
Inhaltsstoffe dieses Siegels müssen natürlichen Ursprungs sein, jedoch nicht aus biologischem Anbau stammen. Diese Siegelstufe ist die Basis des Natrue-Siegels.
Natural Cosmetics with Organic Portions (Naturkosmetik mit Bioanteil):
Mit dieser Siegelstufe können sich Kosmetikprodukte auszeichnen lassen, die mindestens 70% der natürlichen Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft beinhalten.
Organic Cosmetcs (Biokosmetik):
Mindestens 95% der natürlichen Inhaltsstoffe der Produkte müssen aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft stammen.
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Natrue.
Demeter
Das Demeter Siegel ist sicherlich aus der Lebensmittel- und Weinproduktion ein Begriff. Die strengen Richtlinien für Produktion und Herkunft der Bestandteile gelten auch für Naturkosmetika. Diese sollen aus natürlichen Zutaten bestehen, die für den Mensch fördernd und unterstützend wirken sowie Umweltrisiken innerhalb der Produkte auf ein Minimum reduzieren.
Die Regelungen zu Zusatz- und Verarbeitungsstoffen und -verfahren sowie zur Zusammensetzung von Kosmetika sind aus dem allgemeinen Teil der Demeter-Richtlinien übernommen worden (in Kürze):
Ein großer Pluspunkt des Demeter-Siegels im Allgemeinen ist die absolute Transparenz der Richtlinien. Alle Punkte können ausführlich im Regelwerk nachgelesen werden. Das Thema Naturkosmetik im Speziellen wird ab Seite 104 der Demeter-Richtlinien behandelt und umfasst bspw. den Geltungsbereich, anerkannte Standards oder auch spezielle Verarbeitungsverfahren.
Weitere Informationen gibt es auch der Website von Demeter.
Die vielen verschiedenen Gütesiegel haben individuelle Schwerpunkte (meist auf die Rezeptur bezogen) und sagen nichts über Wirkung und Qualität der jeweiligen Produkte aus. Ebenso sagen die meisten Siegel nichts über die Herkunft der verwendeten Rohstoffe aus. Somit gibt es für den Verbraucher keine Sicherheit, durch Gütesiegel Naturkosmetika zu kaufen, welche auf nachhaltigem Rohstoffanbau oder fairem Handel mit Kleinbauern basiert.
Eine Siegelpolitik wie bspw. bei Nahrungsmitteln durch das Bio-Siegel, welches hohe Ansprüche an die Tierhaltung oder den Anbau von Lebensmitteln stellt, fehlt dem Großteil der Siegeln bisher. Zwar gibt es bei einzelnen Gütesiegeln mehrere Level mit einem höheren Standard, welcher bspw. mindestens 95% der natürlichen Inhaltsstoffen aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft und/oder kontrollierter Wildsammlung voraussetzt, jedoch sind diese Kategorien nicht gerade mit vielen Produkten befüllt.
Es ist also aktuell noch sehr schwer nachzuvollziehen, welche Hersteller von Naturkosmetika nicht nur natürliche Bestandteile verwenden, sondern besonderes Augenmerk auf die nachhaltige Herkunft der Rohstoffe richtet.
Ebenso sind die Siegel verschiedener Level oft grafisch so nahe beieinander, dass es dem normalen Konsumenten schwer fallen dürfte, bspw. den Unterschied aus der Basisstufe mit natürlichen Inhaltsstoffen von der „Premium-Stufe“ mit 95%-igem Bioanteil zu unterscheiden. Hier ist vom Konsumenten ganz genaues Hinschauen gefordert.
Dazu kommt, dass durch das enorme Wachstum des Naturkosmetik Marktes auch mehr und mehr große Kosmetikkonzerne auf den Trend Naturkosmetik aufspringen. Diese, oft aus den USA kommenden Konzerne treiben eine ISO-Zertifizierung von Naturkosmetika voran, welche aber durch Richtlinien aus Nordamerika geprägt ist. So wäre bspw. das Verwenden bestrahlter oder genveränderter Rohstoffe erlaubt, so lange es sich rein um natürliche Bestandteile handelt.
Eine Möglichkeit, sich dem Siegel Wirrwarr zu entziehen bleibt allerdings: Vertrauen sie den Herstellern, die sich intensiv mit Natur und Nachhaltigkeit beschäftigen. Oft haben diese Firmen nämlich gar keine speziellen Siegel – und diese brauchen sie auch gar nicht. Viele Hersteller von natürlichen Kosmetikprodukten weisen genauestens aus, was für Rohstoffe sie verwenden und vor allem, woher diese kommen. Informieren Sie sich auf den Websites oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie dort an. Wer nichts zu verstecken hat, der gibt Ihnen sicherlich genauestens Auskunft über Zusammensetzungen der Produkte und ökologisch nachhaltige Herkunft der Rohstoffe.
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